Warum übermäßiger Konsum immer zu Leid führt

Viele Menschen werden nach irgendetwas süchtig, weil sie sich im Alltag langweilen. Diese Langeweile hat natürlich mehrere Gründe. Aber einer davon ist auf jeden Fall, dass das moderne Leben tatsächlich unerträglich langweilig sein kann.

Dank unseres Wohlstands sind unsere Grundlebensbedürfnisse nämlich meist vollständig gestillt, ohne dass wir Tag und Nacht darum kämpfen müssten. Außerdem haben wir heutzutage dank moderner Technologien im Durchschnitt weitaus mehr Freizeit als unsere Großeltern. Schließlich müssen wir das Wasser nicht mehr aus irgendeinem Brunnen schöpfen gehen und unsere Wäsche nicht mehr mit der Hand waschen. Wir müssen unser Geschirr nicht mehr mit den Händen spülen und abtrocknen. Und selbst einkaufen müssen wir nicht mehr gehen, da wir uns alles in die eigene Wohnung liefern lassen können, was wir brauchen oder uns wünschen.

So haben wir zwar viel Freizeit, wissen aber oft nicht wirklich etwas Sinnvolles damit anzufangen. Da wir als Menschen jedoch mit einem starken Reizhunger ausgestattet sind, müssen wir uns dann irgendetwas suchen, das unseren Reizhunger stillt. So stürzen wir uns auf die Medien und alles, was uns irgendwie stimulieren kann. Hauptsache wir können uns mit irgendetwas beschäftigen. Viele suchen sich auch irgendwelche Ziele und geben diesen dann einen besonderen persönlichen Wert. So will der eine den Mount Everest bezwingen, der andere Millionär werden, der dritte eine Yogalehrer Ausbildung machen usw.

Wir brauchen einfach irgendetwas, das uns stimuliert, motiviert, unser Interesse weckt und uns beschäftigt. Dabei unterscheiden wir uns allerdings sehr stark in dem Ausmaß des Stresses, den wir für unser Glück brauchen. Wie gesagt will der eine auf den Mount Everest steigen und hält dies für die Erfüllung seines größten Lebenstraums, während ein anderer dies für einen Alptraum erachten würde und lieber dafür trainiert, so viele Hot Dogs wie möglich in nur einer Minute essen zu können.

Unter den Menschen, die dann früher oder später nach irgendetwas süchtig werden, sind dann vor allem jene, die einen besonders hohen Reizhunger haben und mehr Spannung, Action oder Reibung in ihrem Leben brauchen, um sich gut zu fühlen. Für sie ist unser modernes Leben tatsächlich zu langweilig.

Das gute an ihrer Langeweile ist dann, dass sie sich notgedrungener weise auf die Suche nach erfüllenden Beschäftigungen begeben. Das Problem ist jedoch, dass sie dabei oft in Extreme verfallen. Sie konsumieren dann entweder gefährliche Substanzen oder zu viel eines weniger gefährlichen Genussmittels, so dass sie in die Abhängigkeit davon geraten und letztlich genau das Gegenteil dessen erreichen, was sie ursprünglich eigentlich anstrebten.

Das Prinzip des Yin und Yang macht uns auf der Suche nach dem Glück nämlich einen Strich durch die Rechnung. Es besagt, dass jeder Kraft eine Gegenkraft gegenübersteht, die untrennbar mit ihr verbunden ist. Wird eine Energie maximiert, erreicht sie irgendwann ihren Höhepunkt, auf den hin sie automatisch wieder abnimmt und von der ihr entgegengesetzten Energie abgelöst wird. Es ist uns somit unmöglich, dauerhaft glücklich zu sein.

Dies bestätigt auch die moderne Neurowissenschaft, die herausgefunden hat, dass Freude und Schmerz zusammengehören und dass die Gehirnbereiche, die unsere Freude und Genuss steuern, auch unser Leid und unseren Schmerz steuern. Dabei funktionieren sie nach dem Prinzip des Yin und Yang, bzw. des Ausgleichs. Wenn wir glücklich sind, schlägt die Waage in die eine Richtung aus, und wenn wir unglücklich sind, in die andere. Und eine der wichtigsten übergeordneten Prinzipien dieses Wechselspiels liegt darin, dass unser Nervensystem permanent versucht, einen Ausgleich zwischen beiden herzustellen. Es erlaubt uns somit nicht, für lange Zeit nur Freude oder nur Leid zu erleben. Mit jeder Abweichung von der Neutralität beginnt unser Nervensystem vielmehr damit, alles zu tun, um wieder einen Ausgleich herzustellen. Dieser wird von Wissenschaftlern als Homöostase bezeichnet.

Und die Art, wie unser Nervensystem dies bewerkstelligt, besteht darin, bei jedem Stimulus, der in eine Richtung geht, einen gleich starken Impuls in die Gegenrichtung in Gang zu setzen. Wenn ich also z.B. eine Zigarette rauche, aktiviere ich einen starken Reiz in Richtung Genuss. Als Folge davon erlebe ich danach einen “Abturn” in die Gegenrichtung, der genauso stark ist, wie der ursprüngliche Reiz. Und wenn dieser Abturn voll ausgeprägt ist, ist dies genau der Moment, in dem ich erneut ganz dringend wieder eine Zigarette rauchen will.

Je höher also der positive Reiz, desto größer auch der darauf folgende Abturn und umso größer auch die Lust, den ursprünglichen Reiz zu wiederholen.

Und hierin besteht auch das Problem mit der Suchtentwicklung. Wenn wir irgendein Genussmittel immer und immer wieder in geringem zeitlichem Abstand konsumieren, erzeugen wir damit letztlich unabsichtlich einen solch starken Druck in Richtung der Seite des Leidens und des Schmerzes, dass sich unser Gehirn dadurch in eine neue Homöostase verschiebt, einen sogenannten Dopaminmangelzustand. Diesen erleben wir dann als Zustand der Depression.

Die Ursache dafür, dass die Depression zu unserem neuen Grundzustand wird, liegt also darin, dass wir zu lange und zu intensiv glücksverheißende Substanzen konsumieren oder belohnende Verhaltensweisen ausführen. Als Konsequenz davon ergreift unser Nervensystem dann Gegenmaßnahmen reguliert unseren Dopaminspiegel nach unten. Nun fühlen wir uns schlecht, wenn wir unsere Droge nicht mehr permanent zur Verfügung haben. Irgendwann fühlen wir uns schließlich aber auch dann noch schlecht, wenn wir unsere Droge zur Verfügung haben, da sie irgendwie nicht mehr richtig wirkt. An diesem Punkt macht uns nichts mehr Freude und wir haben uns eine klinische Depression eingehandelt. Dann sind wir leicht reizbar, niedergeschlagen, antriebslos, haben Probleme mit dem Schlaf und leiden unter allerlei Ängsten. Unter diesen Umständen ist es kein Wunder, wenn sich unsere Gedanken nun auch immer mehr darum drehen, so schnell wie möglich wieder an unsere Droge heran zu kommen.

Der gelegentliche Konsum von Genussmitteln ist somit in der Regel kein Problem. Aber der chronische Konsum ist es, der unseren Dopaminspiegel dauerhaft absenkt und dazu führt, dass uns nichts mehr Freude bereiten kann.

Wir sollten also sehr vorsichtig damit sein, Genussmittel zu regelmäßig in zu hohen Dosen zu konsumieren und immer wieder Konsumpausen einlegen. Diese Pausen werden heute oft als Dopaminfasten bezeichnet und sollten von jedem gelegentlich in Betracht gezogen werden, der einen starken Reizhunger hat und somit besonders suchtgefährdet ist.